Gastbeitrag: Ein wunderbar beseeltes Bauwerk

– Der Architekt Roger Diener befasst sich schon fast zwei Jahrzehnte mit dem Kongresshaus Zürich: 2005 hat er bei der Stadt Zürich gemeinsam mit E. & M. Boesch Architekten das erste Projekt eingereicht, 2013 eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. In diesem Gastbeitrag erzählt er kurz vor der Wiedereröffnung frisch und frei von seinem Herzensprojekt.

Das Kongresshaus Zürich war bei seiner Eröffnung im Jahr 1939 ein wunderbar beseeltes Bauwerk. Diese Festlichkeit ging noch viele Jahre später von ihm aus – und war unserer Arbeitsgemeinschaft (Roger Diener, Elisabeth und Martin Boesch sowie Jürg Conzett, Anm. d. Red.) massgebendes Anliegen bei der Gesamterneuerung.

Ein Manifest der Moderne

Gerne erinnere ich mich immer wieder an den Auftritt von Ibrahim Ferrer mit Buena Vista Social Club im Kongresshaussaal. Kein anderes Bauwerk in Zürich hat den Menschen einen so reichen Rahmen geboten, ob es wichtige Kongresse, Konzerte grandiose Künstler oder rauschende Bälle waren. Die Architektur des Kongresshauses ist ein Manifest der Moderne geblieben, einmalig offen und doch nicht neutral oder gar kalt oder abweisend. In den 1980er Jahren wurde das Kongresshaus renoviert, aber das damalige architektonische Programm war für die ursprüngliche Anmutung ungeeignet.

Zeitgenössische Interpretation

Für die heutige Gesamterneuerung beschreiten wir einen anderen Weg. Die qualitativ hohen Eigenschaften des Vestibüls, das von der Claridenstrasse zur Beethovenstrasse führt, konnten freigelegt werden. Der Raum kann wieder in «neuem alten» Glanz erstrahlen. Neue Highlights sind hinzugekommen wie das «Pavillon»-Restaurant und natürlich die weiträumige Terrasse vor dem Konzertfoyer, die einen einzigartigen Blick über den See offerieren. Und neue Säle ergänzen das Angebot des Kongresshauses. Ausgehend vom alten Gartensaal, der in seiner Struktur erhalten werden konnte, sind auf beiden Seiten neue Säle gebaut worden. Grosse Flexibilität bestimmt die Säle, sie können unterschiedlich kombiniert werden und sind mit neuster hochwertiger Technik ausgerüstet.

Heiteres Zusammenspiel

Neu und Alt sind dabei nicht erkaltet, sondern wirken wieder stimmungsvoll heiter. Die reichen Motive, die Haefeli, Moser und Steiger 1939 für das Kongresshaus entwickelten, sind in anderer Form auch in den neuen Sälen wiederzufinden. Das Haus ist wieder ein Ganzes – und die Verbindung von alten und neuen Teilen von Kontinuität geprägt. Da ist zum einen die Herausforderung, das Baudenkmal so zu erweitern, dass der wunderbare Bestand in seiner Wirkung nicht geschmälert wird und die architektonische Anfügung dennoch eine eigene gestalterische Kraft entwickelt. Dann sind da zum anderen technische Anforderungen, wie beispielsweise diejenige des Brandschutzes. Eine besonders glückliche Erfahrung bei der Erneuerung war für mich der Dialog mit den am Bauwerk beteiligten Künstlerinnen und Künstlern: Es war einfach grossartig, der Entwicklung ihrer Werke beizuwohnen. Gerda Steiner und Jörg Lenzlinger, Josef Felix Müller und Albert Kriemler (Akris) setzen in ihren Arbeiten kraftvolle Glanzpunkte für die Gestalt des erweiterten Kongresshauses.

Rollende Planung

Immer wieder haben wir während der Planung auf neue Befunde im Bestand reagieren müssen. Deshalb sind wir auch heute, kurz vor der Fertigstellung, noch immer an der Koordination vor Ort beteiligt. Das ist natürlich auch in die Kritik geraten: Ein so grosses öffentliches Projekt steht immer im Rampenlicht und Kosten sind in jedem Projekt relevant. Nach aussen sah manche Entscheidung aus, als hätten wir prozessual nicht verlässlich gearbeitet. Das werden wir dann und wann wieder hören müssen. Neue Befunde und Erkenntnisse über die Bausubstanz verlangen nicht selten plötzlich neue Antworten. Das ist für die Bauleiter und Unternehmer eine Belastung gewesen, die wir ihnen und uns natürlich gerne erspart hätten.

«Werden sich die Besucherinnen und Besucher von Kongressen, Ausstellungen und Festen gut fühlen? Werden sie sich in den Räumen aufgehoben fühlen?»

Roger Diener, Architekt, Diener & Diener

Glückliche Festgemeinschaften

Unser erstes Anliegen ist die angemessene Gestaltung. Der Erfolg eines solchen Gebäudes wird sich immer daran messen lassen, wie gut sich das Haus in seiner vielfältigen Nutzung bewährt. Werden sich die Besucherinnen und Besucher von Kongressen, Ausstellungen und Festen gut fühlen? Werden sie sich in den Räumen aufgehoben fühlen? Das zählt für uns als Massstab, wenn wir das Projekt einschätzen. Wir hoffen, dass sich ab Sommer 2021 glückliche Festgemeinschaften über das grosse Haus und die vollbrachte Arbeit freuen werden. Die zentrale Frage ist doch: Wie gefällt Ihnen das erweiterte Kongresshaus?

 

Steckbrief

Name: Roger Diener
Funktion: Architekt der Instandstellung und Erweiterung des Kongresshauses Zürich in Arbeitsgemeinschaft mit Elisabeth und Martin Boesch und Jürg Conzett
Kernkompetenz: Dialog zwischen Baudenkmälern und neuen Bauwerken führen
Mag an seiner Arbeit: die vertiefte Auseinandersetzung mit evidenten architektonischen Fragen

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